Sieben Kisten mit jüdischem Material

So heißt die spannende Ausstellung des Jüdischen Museums in München, die ab heute läuft. Sie handelt von "Raub und Wiederentdeckung 1938 bis heute". Beeindruckend präsentiert und genau beschrieben werden die Ritual-Gegenstände, die damals aus den Synagogen in Unterfranken von den Nazis geraubt wurden.

Spektakulärer Fund in Würzburg

In der sog. Reichspogromnacht, am 9. und 10. November 1938, wurden überall in Deutschland Synagogen erst systematisch ausgeraubt, dann zerstört. Ein Großteil der beschlagnahmten Ritualgegenstände gilt seither als vermisst, ein anderer Teil ist  über die ganze Welt verstreut. Als das Staatliche Museum für Franken in Würzburg vor zwei Jahren begann, seine Bestände, die seit 1945 im Depot lagen, Stück für Stück zu sichten und in eine Inventarliste einzutragen, kam es zu einem spektakulären Fund: Man stieß auf Kisten mit jüdischen Ritualgegenständen. Es waren Objekte aus den Gemeinden in Ebelsbach, Gochsheim, Schweinfurt, Miltenberg, Heidingsfeld und Würzburg dabei. Sie waren teilweise erhalten, teilweise aber auch bis fast zur Unkenntlichkeit verbrannt oder nur noch Bruchstücke.

Meisterleistung dank Kooperation Würzburg-München

Wir verdanken die Aufarbeitung und die Ausstellung, die Mitte des Jahres 2019 auch in Würzburg zu sehen sein wird, einer Kooperation der beiden Städte Würzburg und München. Alle Köpfe wurden zusammengesteckt. Man hat sich, teilweise zusammen mit weiteren Fachleuten, detektivisch an die Arbeit gemacht, diskutiert, geforscht und analysiert, bis man wusste, was man da in Händen hielt. So konnte bei vielen Objekten zurückverfolgt werden, woher sie kamen; bei anderen nur noch festgestellt werden, wofür sie verwendet worden waren. Wie leidenschaftlich man ans Werk gegangen war, davon zeugten die Redebeiträge von Claudia Lichte (Staatliches Museum Würzburg) und Bernhard Purin (Jüdisches Museum München). Ein Meisterleistung, angesichts der teilweise stark fragmentierten und zerstörten Exponate.

Manches lässt Schmunzeln

Dass bei all dem, was auch an Schrecklichem entdeckt wurde, manches dabei ist, was zum Schmunzeln anregt, schildert der treffende Artikel "Geschändet und geraubt" von Eva-Elisabeth Fischer in der Süddeutschen Zeitung von heute:

"....Bernhard Purin, Direktor des Jüdischen Museums und zusammen mit Kerstin Dembsky Kurator dieser auch historisch erhellenden Ausstellung, ist ein exzellenter Kunsthistoriker mit nimmermüdem Forschungseifer, was die Entstehung und Herkunft auch schwer beschädigter und geraubter jüdischer Kultgegenstände speziell in Franken anlangt.

Purin erzählt die Geschichte dieses überraschenden Objekts: Der mit menschlichen Zügen ausgestattete Jupiter zierte einst einen Kronleuchter der Synagoge in Heidingsfeld. Um dem Bilderverbot genüge zu tun, verbarg man damals sein Gesicht hinter einem Wollpompon. Doch solch eine Geschichte ist nur Randnotiz dieser Ausstellung, die eine Idee vom einstigen Schatz der jüdischen Gemeinden in Unterfranken gibt."

Genial: Würzburg gibt Raubkunst zurück

Genial ist aus unsrer Sicht, dass nun auch eine Entscheidung darüber getroffen wurde, was aus den Judaica werden soll: Der Stadtrat von Würzburg beschloss nach einem Vorschlag von Achim Könnecke, dem Kulturreferenten der Stadt, in einer Grundsatzentscheidung im Oktober 2018, die Objekte zu treuen Händen wieder der Israelitischen Kultusgemeinde in Würzburg zurückzugeben. Dr. Josef Schuster, Präsident des Zentralrats der Juden und Vorsitzender der Jüdischen Gemeinde in Würzburg, zeigte sich sehr glücklich darüber. Der Kulturreferent der Stadt München, Dr. Küppers, sprach in seiner Rede bei der Eröffnung der Ausstellung gestern, von einer Entscheidung, die Vorbild für alle Kommunen in Deutschland sein sollte. Das alles, in einer Zeit, in der an anderer Stelle wieder Antisemitismus hochkocht, gibt Anlass zu Hoffnung und lädt ein, sich noch stärker für Versöhnung, Respekt, Toleranz und Demokratie stark zu machen. Politische pics4peace - schön!

Mehr Infos zur Ausstellung und Links dazu hier:

Jüdisches Museum München

Stadt München

Mehr Infos zur Rückgabe der Raubkunst durch die Stadt Würzburg:

Mainpost

Fokus Online

Jüdisches Leben Online

Mehr Infos über die erste Ausstellung über NS-Raubkunst 1995 in Wien:

Jüdisches Museum Blog